Ausschnitt aus "Angriff der Killerfotzen"

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Das Funkgerät auf seinem Tisch rauschte und knackte. Ohne den Wetterbericht gehört zu haben wusste er, dass Unwetter im Anmarsch waren. Steam schüttelte den Kopf. Dieses Mädchen stellte eindeutig zu viele Fragen. Neugier brach der Katze das Genick, hatte schon sein Grandpa gesagt.
„Ist sie weg?“
„Die Luft ist rein.“
John Rockway hatte sich die ganze Zeit unter dem Schreibtisch versteckt. Nun kroch er heraus, Staubflusen hingen in seinen krausen Haaren.
„Warum das alberne Versteckspiel?“
„Weil die Transformation nicht komplett abgeschlossen ist. Mein Anblick würde sie verstören.“
„Ach ja? Und das ist weniger gruselig?“
Officer Steam zeigte mit dem Finger auf die Kraterlandschaft, die in Johns Gesicht wucherte. Seine Augen waren milchig, und würden bald verschwinden. Die Wangen waren weicher geworden, und glänzten feucht. Sie erinnerten ihn an eine fleischfressende Pflanze.
„Später spielt es keine Rolle.“
„Lang lebe die Königin!“
Steam, der zeitlebens die Republikaner gewählt hatte, war zum Monarchisten bekehrt worden.

*

Sue erwachte durch ein ungewohntes Geräusch. Kleine Kieselsteine, die an ihr Fenster klopften. Mit vom Schlaf verquollenen Augen trat sie ans Fenster und erstarrte: Draußen auf dem Rasen stand John. Den Mond im Rücken, konnte sie nur seine breiten Schultern erkennen, nicht aber sein Gesicht. Trotzdem war sie sicher, dass er es war. Sie schlüpfte in ihre Hausschuhe, und ging auf Zehenspitzen hinaus, um Mutter nicht aufzuwecken.
„Mein Gott, ich dachte du wärst tot!“
Frenetisch schlang sie ihre Arme um ihn, und bedeckte sein Gesicht mit hundert Küssen. Doch etwas stimmte nicht. Sein Gesicht erinnerte sie an ein lesbisches Erlebnis im Ferienlager. Zehn Mädchen in einem Schlafsaal in der Blockhütte am See, und eine harmlose Kissenschlacht war ausgeufert. Eines hatte zum anderen geführt, und am Ende war ihre Zunge in Trishas Honigdöschen gelandet. Keine Erfahrung auf die sie besonders stolz war. Es war eine Rumalberei gewesen, nichts weiter. Sue stand definitiv auf Schwänze. Und doch war John zu küssen, als tunke man sein Gesicht tief in eine feuchte Muschi. Und der Saft lief dir triefend über die Wangen, klebrig wie eine Ananas.
„Ich bin nicht tot, ich habe mich nur verändert.“
„Was ist mit deinem Gesicht?“
„Ich diene jetzt der Königin.“
„Du redest ja nur wirres Zeug.“
„Ich bin nur eine einfache Arbeiterfotze, wir interessieren uns nicht für Politik. Das überlassen wir lieber unserer Herrscherin. Sie weiß, was gut für ihr Volk ist.“
„Komm zum Wohnwagen. Ich will dein Gesicht sehen!“
„Vulvia gefällt es nicht, dass du Erwachsenen von unserer Mission erzählt hast.“
John trat näher. Sue schlug die Hände vors Gesicht, um einen Schrei zu unterdrücken. Johns Gesicht war verschwunden, und durch eine Vagina ersetzt worden. Seine Nase war eine Klitoris, klein und rund. Mund und Wangen waren Schamlippen gewichen. Sie bewegten sich beim Sprechen wie ein senkrechtes Lächeln.
„Geh. Du bist nicht mehr der John, den ich geliebt habe. Oder dem ich meine Jungfräulichkeit opfern wollte.“
„Die Jungfräulichkeit kann ich dir immer noch nehmen.“
„Verschwinde, oder ich muss dich töten!“
Fassungslos hörte sie die Kreatur lachen, die einst auf den Namen John gehört hatte.
„Früher oder später kriegen wir euch alle. Denn mit jedem Tag werden wir mehr.“
Er zischte mit seinen Schamlippen, als belege er sie mit einem alten Zigeunerfluch. Heute hatte sie ihn abgewiesen, aber wenn es wirklich mehr von ihnen wurden? Vielleicht planten diese Fotzen eine Invasion. Wenn Menschen fremde Galaxien besuchten auf der Suche nach neuen Kolonien, wie würden sie mit der vorgefundenen Fauna umgehen? Fremde Lebewesen mit der Phaserkanone auslöschen, um der eigenen Spezies Platz zu schaffen? Sue musste mit Collins sprechen.

*

Professor Collins goss ihr Eistee ein, nach einem alten Familienrezept seiner an Krebs verstorbenen Schwiegermutter. Dach dem Tod von Rose hatte seine Ehe auch nicht mehr lange gehalten. Erst war die Mutter gegangen, dann die Tochter. Am Ende war er alleine geblieben in einem Haus, das er heute noch von seinem dürftigen Gehalt als Lehrkraft an der Highschool abzahlte. Und das ihm viel zu groß geworden war. Nachts fürchtete er sich vor der Dunkelheit wie ein kleines Kind.
„Bist du dir wirklich sicher, dass es John war?“
„Ja. Dieses Ding hatte seine Stimme und seinen Körper.“
„Und du hast auf dem Knutschhügel nicht gesehen, was die Killerfotze mit ihm gemacht hat?“
„Gesehen nicht, aber gehört.“
„Sie könnte ihn infiziert, oder einen Parasit eingepflanzt haben. Jedenfalls nach meinen bescheidenen biologischen Kenntnissen.“
„Die Vorstellung ist gruselig.“
„Sue, hast du schon einmal einen Zombiefilm gesehen?“
„John ist kein Untoter!“
„Ob untot oder Vulvianer spielt keine Rolle. Zombies und Vampire rekrutieren ihren Nachwuchs, indem sie gesunde Menschen infizieren.“
„Und warum betrifft die Infektion dann nur sein Gesicht?“
„Ich glaube, es handelt sich um eine neue Spezies. Woher auch immer diese Riesenfotze kommt, sie mischt gerade ihre Erbinformationen mit dem menschlichen Genpool.“
„Hybridwesen?“
„Eine neue Superrasse. Gott weiß, wozu sie fähig sind.“
Fröstelnd zog Sue ihre Strickjacke enger um die Schultern. Die Wärme des Tages war einer feuchten Grabeskälte gewichen, die ihr heimtückisch in alle Glieder kroch. Im tiefsten Winkel ihres Verstands hatte sie daran geglaubt, John könnte eines Tages geheilt zu ihr zurückkehren. Als wäre die Verwandlung in seinem Gesicht nur eine Krankheit, von der er sich erholen würde. Entgegen ihrem Willen liefen die Tränen. Collins nahm sie tröstend in den Arm.
„Pst, ist schon gut.“
„John ist verloren, oder?“
„Das wissen wir nicht mit absoluter Sicherheit. So wie wir nicht wissen, wen wir zuerst bekämpfen müssen. Die Vulvianer oder ihre Königin.“
„Die Arbeiterfotzen könnten Menschen genauso infizieren, wie ihre Königin. Auch wenn sie sich nicht für Politik interessieren.“
„Hast du John angefasst?“
Sue wurde bleich.
„Ich habe ihn in den Arm genommen. Und mein Gesicht in seiner Fotze gehabt.“
„Es könnte durch Hautkontakt übertragen werden. Oder durch Tröpfcheninfektion wie ein Grippevirus. Du bleibst vierundzwanzig Stunden unter Beobachtung. Ich schreibe dir eine Entschuldigung für den Unterricht.“
„Soll ich mich im Klinikum melden?“
„Nein, das wird nicht nötig sein. Ich habe ein abschließbares Gästezimmer im Erdgeschoss. Von außen ist es sicher vergittert. Wir hatten letztes Jahr einige Einbrüche in der Gegend. Meine Frau wollte auf Nummer sicher gehen.“
„Mum würde sich Sorgen machen, wenn ich nicht nach Hause komme.“
„Ich werde mit ihr reden. Und dir saubere Wäsche mitbringen.“
Sue folgte ihm widerspruchslos. Collins machte in der Küche halt, um ihr Cola und Cracker zu holen.
„Und wenn ich auf die Toilette muss?“
„Das Gästezimmer verfügt über ein kleines Badezimmer. Dort kannst du dich frischmachen.“
Hinter ihr fiel die Tür ins Schloss. Als der Schlüssel umgedreht wurde klang es endgültig. Nun war sie allein mit der Furcht, sich in einen Vulvianer zu verwandeln.
„Meine Mutter wohnt Fenway Street, Nummer fünfzehn. Kennen sie den Trailerpark am Ortsrand?“
„Ist mir ein Begriff.“
„Sagen sie ihr nichts von meiner Verwandlung.“
„Ich werde es finden. Noch wissen wir nicht einmal, ob du wirklich zum Vulvianer wirst. Mach dir keinen Kopf, nicht jetzt. Ich bin immer bei dir, egal was passiert.“
„Und wenn ich mich wirklich verändere, jagen sie mir die Kugel durch den Kopf?“
„Darüber solltest du gar nicht erst nachdenken.“
Collins schloss die Tür über ihre Zweifel, über ihre Gedanken. Er war Physiklehrer an der Jefferson High. Der über eine seiner Schülerinnen wachte, wie ein Zerberus.

*

Den Trailerpark kannte er vom Hörensagen. Als Lehrer gehörte er dem Mittelstand an. Kaufte seine Kleidung in kleinen Boutiquen, und nicht bei Walmart oder auf dem Flohmarkt. Er konnte Wein nach seinem Anbaugebiet unterscheiden. Und nicht nach dem Verschluss des Tetrapacks. Nie hatte er seinen Fuß in dieses Viertel gesetzt. Zwar wohnten einige seiner Schüler dort, doch Collins mied diesen Ort. Der einem Eingeständnis gleichkam, am unteren Ende der Nahrungskette angekommen zu sein. Manche Wohnwagen wurden nur noch vom Rost und ein paar Klemmen zusammengehalten. Kalt pfiff der Wind durch die losen Bleche. Ideal für Typhus und Keuchhusten, sobald der erste Schnee fiel. Selbstgebastelte Ofenrohre, die wie die Arme eines Kraken aus dem Dach wuchsen. Würden im Winter blaugraue Wolken ausspucken, die nach Diesel und verschmortem Plastik rochen. Je nachdem was die Bewohner verheizten, um nicht frieren zu müssen. Waschbären teilten sich den Inhalt einer umgekippten Mülltonne mit einem Marder. Niedliche Tiere, die im Abfall der menschlichen Zivilisation wühlten. Das Tierreich war schon zu seltsamen Symbiosen fähig. Collins fühlte einen heißen Stein im Magen. Unter diesen Zuständen wuchs Sue auf. Sie hätte nicht mit John auszugehen brauchen. Das Leben fickte sie auch so.
Den Trailer ihrer Mutter zu finden, war nicht einfach. Hausnummern waren in der Welt der Ausgestoßenen nicht besonders verbreitet. Weil nicht jedes Dach über dem Kopf die Bezeichnung Haus verdiente. Collins musste sich schon bei ihren Nachbarn durchfragen. Ein kauziger Alter mit rotem Cowboyhut gab ihm schließlich den entscheidenden Tipp. Das Haus der Kleins war nicht gleich als Wohnwagen zu erkennen. Doch trat man näher heran, so fiel einem auf, dass die Holzplanken nur eine raffinierte Imitation aus Detroit waren. Redwood hatte ein Campermagazin diese Farbe enthusiastisch genannt, in Erinnerung an amerikanische Mammutbäume. Ein Windspiel aus bunten Glasperlen hing an der Eingangstür. Kleins hatten sogar eine richtige Klingel anstatt des üblichen „Bitte Klopfen“ Schilds. Collins war beruhigt, dass sie noch nicht ganz unten angekommen waren. Die Türklingel spielte das Intro der Today-Show. Jennifer Klein öffnete ihm, eine brennende Zigarette in der exaltiert abgespreizten Hand. Mürrisch kniff sie ihre Augen gegen den Rauch zusammen, und gegen den Fremden. Ein violettes Stück Lidschatten bröckelte heraus wie Feenstaub.
„Sieh mal an, was für ein feiner Pinkel sich verirrt hat.“
„Ich bin der Physiklehrer ihrer Tochter.“
„Alles in Ordnung mit meiner Kleinen?“
„Ihr geht es gut, keine Sorge. Sie verbringt ein paar Tage in meinem Haus, um ein Referat vorzubereiten. Darf ich ihr frische Wäsche zum Umziehen mitbringen?“
„Warten sie, ich suche ihnen etwas raus.“
Strenger Zigarettenqualm kam aus dem Inneren des unaufgeräumten Trailers, vermischt mit ranzigem Küchenfett. Es roch nach Frikadellen und Ketchup. Sues Mum war wohl gerade beim Abendessen, als unerwarteter Besuch auftauchte.
„Ich habe eine Hose, zwei T-Shirts und Unterwäsche eingepackt. Das müsste reichen, oder?“
„Sie bleibt nur ein paar Tage.“
„Hat sie ihnen etwas über mich erzählt?“
„Dass sie eine gute Mutter sind.“
„Sue ist ein liebes Kind. Passen sie gut auf sie auf.“

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